guitar | Norwegen
Mehr als irgendein anderes Instrument steht die elektrische Gitarre seit 1967 für die Auflösung der Grenzen zwischen Jazz und Rock. Unzählige Gitarristen haben seither individuelle Lösungen für die Verbindung beider Genres gefunden, doch nur wenige gehen so weit wie der Norweger Eivind Aarset. Vom Peloton seiner Kollegen unterscheidet ihn die Tatsache, dass er nicht aus dem Jazz, sondern von Jimi Hendrix kommt und seine Laufbahn mit Heavy Metal begonnen hat. Diese Erfahrung befreit nicht nur das Sichtfeld, sondern entledigt ihn auch jeglichen Zugzwangs, auf seinem Instrument etwas beweisen zu müssen. Der Skandinavier mit der weißblonden Mähne bevorzugt einfache Kontexte, die es ihm erlauben, im Ton zu schwelgen, sich über den simplen Dualismus von Jazz und Rock hinwegzusetzen und im gleichen Zug alle intellektuellen Widerstände des Hörers zu überwinden. Aarsets Musik verlangt nach keinerlei Voraussetzung, sie will einfach nur absorbiert werden, möglichst mit jeder Körperzelle. Eivind Aarset verstärkte mit seinem unverwechselbaren Sound unter anderem Gruppen von Nils Petter Molvaer, Ketil Björnstad und Bugge Wesseltoft.
Als es Mitte der 1990er Jahre in Norwegen unter der Ägide von Bugge Wesseltoft darum ging, sich mal ein paar „New Conceptions of Jazz“ zu überlegen, um aus dem Käfig des zum Klischee gewordenen „Sound of the North“ herauszukommen, kamen die Sensationen im Monatstakt. Jazzer verbündeten sich mit DJs und Produzenten, neue Clubs wurden geöffnet und machten durch undogmatische Programme von sich reden, unabhängige Plattenlabels stellten die Plattformen für diese Explosion an Kreativität. Der Gitarrist Eivind Aarset und der Live-Sampling-Artist und Produzent Jan Bang gehören zum Kern dieses Aufbruchs. Aarset, der musikalisch in einer Heavy Metal-Band begonnen hat, veröffentlichte mit „Électronique Noir“ (1998) eines der ersten Alben auf „Jazzland“; Jan Bang, der zuvor als Produzent an der Schnittstelle von Pop und Techno tätig war, war auf Wesseltofts zweitem „New Conception of Jazz“-Album „Sharing“ (1998) noch fürs „Drum Programming“ zuständig. Im neuen Jahrtausend wurden Aarset und Bang, verstärkt durch die Vielzahl von Begegnungen im Umfeld des berühmten „Punkt“-Festivals, fast schon eine Art Team, arbeiteten zusammen nicht nur an den jeweils eigenen Alben, sondern auch auf Alben von Ketil Björnstad, Dhafer Youssef, Jon Hassell, Arve Henriksen, Tigran Hamasyan oder – ganz aktuell – Dark Star Safari. Während der introvertierte Klangtüftler Aarset als Instrumentalist hinter filigran erarbeiteten, abstrakten Klangwolken verschwindet, sucht Bang bei seinem Live Sampling die Präsenz höchster Aufmerksamkeit und Geistesgegenwart, um bei Gegenüber das Material zu erfassen, das er in die unverwechselbare „Punkt“-Ästhetik verwandeln kann.
Eivind Aarset (guitar), Jan Bang (electronics, livesampling)
Gemeinsam unternehmen die vier Musiker eine Reise in die vierte Dimension. Was relativ linear beginnt, baut sich immer mehr auf, erst zur Klangfläche, dann zum Soundspace und bricht schließlich in Dimensionen auf, für die herkömmliche Beschreibungen völlig unzulänglich sind. Indem sie unentwegt zwischen Science Fiction und gefühlter Erinnerung umschalten, gelingt ihnen ein verwirrendes Spiel aus Gravitation und Fliehkraft, eine rastlose Wurmlochjagd von einem Klangquadranten zum nächsten und eine Art Malefiz mit jeglichen Erwartungen. Vor jedem Auftritt steht nur eines fest: Aarset und Co. wird das Publikum mit in unerhörte Welten nehmen. Diese Welten im Voraus zu verorten, ist ein Ding der Unmöglichkeit.
Eivind Aarset (guitar), Erland Dahlen (drums), Audun Erlien (electric bass), Wetle Holte (drums)
24.04.2023 | CZ - Prague // Jazz Dock | Eivind Aarset | Quartet | |
27.04.2023 | CH - Biel // Le Singe | Eivind Aarset | Quartet | |
29.04.2023 | DE - Aachen // Musikbunker Aachen | Eivind Aarset | Quartet | |
12.08.2023 | IT - Berchidda // Time In Jazz | Eivind Aarset | Quartet | |
29.05.2024 | DE - Köln // Kölner Philharmonie | Eivind Aarset | Quartet |